Wie gut sind staatliche Angaben zu Durchimpfungsraten?

  • 06.12.2019
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Wie kann es sein, dass trotz einer Durchimpfungsrate von 98% fast 50.000 Masernfälle gemeldet werden? Diese Daten stammen aus der Mongolei und sind ein Beleg für die These, dass die Datenqualität zu Durchimpfungsraten zumindest zweifelhaft ist. Denn das Auftreten so vieler Masernfälle bei einer fast vollständigen Durchimpfung ist kaum erklärbar. Wir von der dwh forschen im Auftrag des BM für Gesundheit daran, wie trotz unvollständiger Datenlage präzise Zahlen gefunden werden können, damit Gesundheitsverantwortliche zukünftig bessere Entscheidungen treffen.

Widersprüche in den Daten

Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) sammelt die Durchimpfungsraten und Masernfälle weltweit. In der Grafik steht jeder Punkt für ein Land. Die Größe des Punktes spiegelt die Bevölkerungszahl wider. Die Staaten, also ihre Punkte, sind nach Anzahl der Masernfälle pro 1 Million Einwohner (x-Achse) und Durchimpfungsrate (y-Achse) angeordnet. Das heißt, dass ein Staat ohne Masernfall ganz links in der Grafik zu finden sein wird. Je mehr Fälle (pro 1 Mio. Einwohner) in einem Land auftreten, umso weiter rechts befindet sich der Punkt. Die Durchimpfungsrate bestimmt die Höhe des Punktes: am Boden der Grafik Länder mit extrem niedriger Durchimpfungsrate (z.B. Süd-Sudan mit 22%), während in Ländern ganz oben 99% der Population geimpft sind (z.B. China, Thailand, Sri Lanka). Genauer: sein sollten.

 

Halten sie die Maus über einen Punkt um mehr Informationen zu erhalten. Mit der Lupe (links unten) können sie in die Grafik reinzoomen, mit dem Cursor sich im Zoom bewegen und mit der Haus wieder zur Standardansicht wechseln.

Die Position der Mongolei (ganz rechts oben) deutet auf den vorhin beschriebenen Wiederspruch hin: Da die Masernimpfung sehr zuverlässig ist, sind bei 98% Durchimpfungsrate 50.000 Krankeitsfälle extrem unwahrscheinlich. Man kann zwar argumentieren, dass die Mongolei ein Schwellenland ist und weit weg. Aber selbst im Herzen Europas finden sich, mit Bosnien und Herzegowina und dem EU-Staat Rumänien, Länder mit zweifelhaften Daten, wie unsere Grafik zeigt.

Interessant ist die vertikale Reihe an Staaten am linken Rand der Grafik. Dabei handelt es sich fast durchwegs um Inselstaaten oder/und extrem kleine Staaten. Diese sind offenbar durch ihre Abgeschiedenheit zu einem gewissen Grad vor Masernepidemien geschützt. Dass dieser Schutz durch Isolation jedoch ein sehr trügerischer ist, zeigen die jüngsten Ereignisse. Aktuell (Dez. 2019) wütet in Samoa eine Masern-Epidemie, die inzwischen bereits über 60 Todesopfer gefordert hat. In unserer Grafik (Daten von 2013-2017) befindet sich Samoa (noch) ganz links, als zweiter Staat von unten. Die inzwischen mehr als 4300 bekannten Erkrankungen ergeben (bei 200.000 Einwohnern) hochgerechnet 21.500 Masernfälle auf 1 Mio. Damit würde Samoa aktuell ins rechte Drittel der Grafik katapultiert werden. Mit gesicherten Daten zur masernfreien Welt

Da die Masern eine hochansteckende und potentiell tödliche Krankheit sind liegt es auf der Hand, dass es wünschenswert ist sie auszurotten, wie dies bereits mit den Pocken geschehen ist. Die Weltgesundheitsorganisation WHO beobachtet zu diesem Zweck die Impfbemühungen der einzelnen Länder und sammelt dazu unter anderem die jeweiligen Durchimpfungsraten, sowie die Erkrankungszahlen. Die WHO erhebt diese Daten jedoch nicht selbst, sondern bezieht sie von den jeweiligen Staaten. Da die Masern eine meldepflichtige Erkrankung sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Zahlen der Krankheitsfälle eine entsprechend hohe Güte haben. Anders sieht es jedoch mit der Durchimpfungsrate aus, denn kaum ein Land hat ein verpflichtendes Impfregister. Die Durchimpfungsrate muss daher entweder geschätzt werden, oder komplex erhoben beziehungsweise berechnet. An die WHO werden jedenfalls die Durchimpfungsraten bei Kindern im Alter von 1-2 Jahren gemeldet. In dieser Kohorte strebt die WHO eine Durchimpfungsrate von 95% an, um mittelfristig einen Schutz der gesamten Bevölkerung zu gewährleisten.

In Österreich, in der Grafik orange hervorgehoben, gibt es ebenfalls kein Impfregister. Um trotzdem eine hohe Datenqualität gewährleisten zu können forscht die dwh, im Auftrag des Gesundheitsministeriums und in Kooperation mit der TU Wien und Dexhelpp, seit Jahren daran, wie präzise Zahlen gefunden werden können. Die Forschungsergebnisse werden unter anderem vom Ministerium publiziert.

Datenquellen:

Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum 2013-2017, Quelle für die Durchimpfungsraten ist die WHO, die Daten zeigen den Anteil der 1-jährigen an denen mindestens eine Dosis einer MCV (Measles Containing Vaccine) verimpft wurde. Daten für Masernfälle entstammen ebenfalls der WHO, und die Bevölkerungsdaten wurden von der Weltbank worldbank.org abgefragt.