Unterschiede der Omikron-Varianten BA.1 und BA.2

  • 27.01.2022
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Illustration der Mutationen in BA.1 und BA.2 auf der Kristallstruktur des Spike Proteins. Die türkisen Positionen sind beiden Varianten gemein, dunkelblau stellt Punktmutationen dar die zwischen BA.1 und BA.2 differieren. alle insertionen und Deletionen (rot) sind ebenfalls unterschiedlich. BA.1 und BA.2 unterscheiden sich in deutlich mehr Positionen als Delta vom Ursprungsvirus. (Quelle: Omicron Bericht, mit herzlichem Dank für die Erlaubnis zur Verwendung)
Copyright: Ulrich Elling, ÖAW, IMBA - Institute of Molecular Biotechnology


Modellannahmen legen nahe, dass BA.2 Immunschutz besser umgehen kann als BA.1

Neben der derzeit vorherrschenden BA.1-Variante wurde bereits Anfang Dezember BA.2 (und später auch BA.3) als Sub-Variante klassifiziert. Bisher sind nur wenige Informationen zu den epidemiologischen Unterschieden in den Parametern von BA.1 zu BA.2 bekannt. Zur Infektiosität der BA.2 Variante gibt es Vermutungen, dass es ansteckender sein könnte als BA.1 oder den Immunschutz noch besser umgehen kann. Fakt ist, dass BA.2 mehr als 20 Mutation aufweist mit ca. der Hälfte am Spike-Protein und in einigen Ländern einen Evolutionsvorteil gegenüber BA.1 besitzt.

Bisher wird von keinem Unterschied der Hospitalisierungsraten zwischen den beiden Stämmen ausgegangen. Das entspricht den Aussagen zu ersten Analysen in Dänemark und dem UK. Es wird jedoch betont, dass das Datenmaterial noch zu gering ist, um diese Hypothese zu untermauern.

Im Dezember wurde das Fallgeschehen in Europa durch die Omikron BA.1-Variante bestimmt. Da die Variante mittlerweile in vielen Ländern nachgewiesen ist und in Dänemark, Schweden und Indien bereits dominant ist und der Anteil davon auch in beispielsweise Frankreich rasch zunimmst gehen wir davon aus, dass BA.2 auch in Österreich BA.1 bald ersetzen wird.

Abbildung 1 zeigt die Serotypenverschiebung von Delta zu Omikron BA.1 und weiter zu BA.2 im Zeitverlauf. Gegenwärtig ist BA.2 für mehr als 50% der Infektionen verantwortlich. Abbildung 1: Serotypenverschiebung in Dänemark (Quelle: GISAID Datenbank und John Hopkins Universität)

Abbildung 2 zeigt die Fallzahlen pro 1 Million Menschen in Dänemark im Vergleichszeitraum, die weiterhin konstant steigen. Abbildung 2: Tägliche Fallzahlen pro 1 Million Menschen, als 7-Tage-Schnitt, in Dänemark mit dominanter Variante (Quelle: Our World in Data)

Nach der Delta-Welle Anfang Dezember betrug der Anteil der österreichischen Bevölkerung mit aufrechtem Schutz gegen Delta etwa 75%. Da bereits BA.1 den Immunschutz nach internationalen Studien (insbesondere den Auswertungen des Imperial College London) zu einem Grad umgeht kann, war der Anteil vor Infektion mit BA.1 geschützter Personen Anfang Dezember nach Modellrechnung etwa 55%. Durch Boosterimpfungen sowie Infektionen ist dieser Anteil derzeit wieder steigend.

Wenn BA.2 nun den Immunschutz noch besser umgehen kann als BA.1, dann hat die Verbreitung dieser neuen Variante für die Anzahl an Neuinfektionen denselben Effekt, als ob die Anzahl der Immunisierten reduziert wird. Diese Hypothese wird gestützt mit den Beobachtungen anderer europäischer Länder, allen voran Dänemark. Dort ist die Durchimpfungsrate besser als in den meisten Ländern (ca.80% vollständig geimpft, ca.60% geboostert), trotzdem hat sich nach einem kurzen Abflachen der Omikron-BA.1-Welle mit der Übernahme von BA.2 die Infektionsdynamik wieder beschleunigt.

Da BA.2 bereits am 17. November 2021 sequenziert wurde und damit nur eine Woche nach BA.1 (12.11.2021). Wird der Evolutionsvorteil von BA.2 rein auf höhere Infektiosität bedingt, stellt sich aus modelltechnischer Sicht die Frage, warum es sich erst jetzt gegen BA.1 durchsetzt. Wenn BA.1 nur einen „Startvorteil“ von wenigen Wochen hat würde eine weit höhere Infektiosität mit sonst identischen Modellannahmen dazu führen, dass BA.2 einen wesentlich steileren Anstieg hat und damit bereits früher BA.1 ersetzten müsste. Aus Modellsicht plausibler ist, wenn ein Teil des Evolutionsvorteils durch bessere Immunevasion bedingt ist. In diesem Fall wird der evolutionäre Vorteile umso größer je höher der Anteil an Genesenen und Geimpften ist, was im Modell anfangs nur einen geringen aber mit Fortschritt der Pandemie einen höheren Wachstumsvorteil gegenüber BA.1 mit sich bringt und den zeitlichen Verzug der Dynamik sowie des Replacements im Modell für die derzeit beobachteten Daten anderer Länder besser erklären kann.

Aus Modellsicht könnte sich dadurch die derzeitige Omikron-Welle etwas „verbreitern“ beziehungsweise bei größerer Verzögerung der Serotypenverschiebung zu BA.2 nach kurzem Rückgang der Neuinfektionen ein zweiter Peak entstehen. Unter diesen Annahmen trifft die BA.2-Welle dann vermehrt Personen, die entweder Geimpft oder bereits Genesen sind und daher einen höheren Schutz gegen schwere Verläufe besitzen. Unter diesen Voraussetzungen ist ein guter Immunisierungsstatus wünschenswert, denn damit kann mit einer weiteren Abnahme der Hospitalisierungsrate gerechnet werden.